Unbekannte Matrik aufgetaucht

Es geschehen noch Zeichen und Wunder! Zwar ist dieses hier bereits vor 30 Jahren geschehen, aber ich möchte dennoch an dieser Stelle daran erinnern. Normalerweise ist man daran gewöhnt, daß zahlreiche Archivalien, die in alten Inventaren aufgeführt sind, nicht mehr existieren oder zumindest nicht mehr auffindbar sind. Zuweilen tauchen verloren geglaubte Quellen wieder auf, und auch bisher Unbekanntes tritt nach wie vor zu Tage – manchmal ist es allerdings so unbekannt, daß man es kaum glauben mag: Im Jahre 1987 erwarb das Mährische Landesarchiv bei einem Antiquariat in Mährisch Ostrau (Ostrava) eine bisher unbekannte Matrik der Pfarre Hosterlitz (Hostěradice). Sie umfaßt 149 Blätter und enthält Einträge zu Taufen für die Jahre 1656-1677, Trauungen für  1654-1678, und Begräbnisse für 1653. In einer erhalten gebliebenen Auflistung des Dekanats Hosterlitz vom Jahre 1804 über die damals vorhandenen Matriken scheint dieses Buch nicht auf – es war also mindestens 183 Jahre lang „nicht am Platz“. Wo es in der Zwischenzeit gewesen sein mag, wäre interessant zu erfahren. Sein Auftauchen jedenfalls ist ein Glück für die Forschung in der Znaimer Gegend, enthält das Buch doch – wie zahlreiche andere frühe Matriken der Region – Einträge aus einem recht weiten lokalen Umfeld.

Im Sytem von actapublica ist das Buch leider falsch eingeordnet, da der im maschinenschriftlichen Inventar eingefügte Zettel, auf dem diese Matrik nachgetragen ist, bei der Digitalisierung offenbar fälschlich der vorangehenden Pfarre Horní Kounice zugeordnet wurde (http://actapublica.eu/matriky/brno/detail/1377/), dies tut aber dem dankenswerten Umstand keinen Abbruch, daß sich wie die anderen Matriken des MZA Brno auch dieses Buch mit seiner außergewöhnlichen Provenienzgeschichte bequem online betrachten läßt: http://actapublica.eu/matriky/brno/prohlizec/1377/?strana=1

Kurz und knapp – Bilingualität auf engstem Raum

Zweisprachigkeit auf engstem Raum – ehemals Normalität in Mähren, und das nicht nur im Alltag sondern auch in der Administration. So zu sehen in Žerotitz (Žerotice) am 03.02.1704 (MZA Brno, E 67, inv. č. 15072, pag. 27):

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„Dne 3. Feb: Pochowano gest dietie Martin deß Filip Pum.“

Ungewöhnliche Namen! – Niedersächsische Perser in Mähren? ;-)

Vor genau 300 Jahren, 3 Monaten und 3 Tagen, am 31.10.1715, wird in Proßmeritz (Prosiměřice) ein Kind aus Wainitz (Vítonice) getauft (MZA Brno, E 67, inv. č. 14446, fol. 120r), dessen Eltern und Paten ansonsten in den dortigen Matriken nicht auftauchen. Dieser Umstand allein ist nicht allzu außergewöhnlich, umso bemerkenswerter sind allerdings die geradezu exotischen und vor allem untereinander sehr verschiedenen Vornamen der in diesem Taufeintrag genannten Personen: Werner, Xerxes, Lucretia, Wolfgang und Wobbeke.

Wolfgang kommt – obwohl nicht gerade regionaltypisch – im Znaimer Gebiet immer wieder vor. Werner wäre höchstens im urbanen Milieu bzw. in Adelskreisen zu erwarten – ebenso das noch um einiges ungewöhnlichere Lucretia. Gänzlich aus dem Rahmen fallen aber das altpersische Xerxes sowie das niederdeutsche Wobbeke (=Wiebke). Was mag das für eine Truppe gewesen sein? Soldaten? Händler? Musikanten? Schausteller? Der onomastische Befund treibt die Phantasie von der Nordsee bis hin zum Indischen Ozean … Wer genau diese Fremden waren –  wir werden es wohl nicht mehr erfahren.

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„Eodem Paptizatus est Jnfans
Wernerus p[er] Ad[modum] R[everen]d[u]m] D[omi]n[u]m Bene-
dictum Hoenheisser, Parentes
Xerxes Zapolka, Patrini M[ate]r
Lucretia, Patrini Wolffgangus
Eichenbaum et uxor eius Wobbeke
o[mn]es Weinicenses.“

Südmährische Geschlechter – Seethaler

Seethaler zählt im 19. und 20. Jh. zu den besonders häufigen Namen im Gebiet östlich von Znaim. Verfolgt man die einzelnen Linien zurück, so wird rasch eine Konzentration auf das Gebiet der Grundherrschaft Bonitz/Frischau (Bohunice/Fryšava) – bestehend aus den Orten Bonitz (Bohunice), Frischau (Fryšava, heute Břežany), Gaiwitz (Kyjovice), Pratsch (Práče), Probitz (Pravice) und Teßwitz an der Wiese (Stošíkovice na Louce) – deutlich. In der Tat findet sich der größte Teil der älteren Namensträger in Pratsch, wo der Name auch im 19. und 20. Jh. noch extrem häufig ist (von den insgesamt 1612 zwischen 1790 und 1906 in Pratsch geborenen Kindern tragen 264 den Namen Seethaler/Sethaler – also etwa 16 %). Der älteste Seethaler in der Region ist Sebastian Seethaler (+ 1683 in Pratsch). Er ist erstmals im Grundbuch des Dorfes Bonitz greifbar, wo er 1657 einen Grund kauft.

"[...] Sebastian Sedaller Von Ingelstadt, auß Bähren, gebiertig, [...]"
„[…] Sebastian Sedaller Von Ingelstadt, auß Bähren, gebiertig, […]“
Grundbuch Bonitz, SOkA Znojmo, Archiv obce Bohunice, kniha 1, fol. 176r:

„Den 18. Junii 1657. ist Vor die Grundt obrigkeit erschünen, Andreas Rott, Vnd Vorgebracht, wie Er dißen Viertlhauß, so Er Anno 1648. in Dorff Bonitz, erkhaufft, nit mehr Vorstehen Kentte, dahero hat Er gebetten, dem Sebastian Sedaller Von Jngelstadt, auß Bähren, gebiertig, seines Handtwerkhs, ein Weber, deme Er, beym hauß Angebauter in feldt, ein Quanten Waitz, ander halb gewanten Khorn, ein halb gewanten, haber, ein halb gewanten, Arbeß, Zwey gewanten, hayden, eine Khue, Zwey schwein, Zwey genß 4. hiener, sambt dem han, ein pflueg, mit dem eyßen Verbleiben, laßen will, Vor ein Stiffman, anstatt seiner, anzunehmen; Warüber nach eingenohmmener, information, in sein begehren eingewilligt, Vnd dißer Contract, Volgendter gestaldt, Ratificirt worden; daß der Sebastian Sedaller, Zwar Vor ein Vnterthan, acceptiert, Vnd dißer grundt, mit allem Zuegehör, in Grundtbuech, ihme Zuegeschriben soll werden, der Andreas Rott aber, Von der Vnterthenigkeit, nit entlaßen werde, biß die Obrigkheit sehen wierdt, wie ihr, der Vorgebrachte Stiffmann gefellig sein wierdt, Soldte wider Verhoffen, der Sedaller, dem hauß, nit recht Vorstehen, so soll der Roth, sein hauß Anzunehmen, Verbunden Verbleiben, dißem allem, hat gemelter, Andreas Roth, in beysein, seiner beystendt, allß Geremias Horsch, in markh Proßmeritz haußessig, Hanß grill, der Zeit Richter, Zu Bonitz, Vnd Paull Plachenski, auch Wanhafft, der Zeit in Bonitz, Nach Zu Kommen, angelobt, Vnd Versprochen; Eß hat Sebastian Sedaller, Zu einer Versicherung, sein Heurats Brieff, neben einer Kundtschafft; Von Richter Vnd gemein, Von Speißendorff, bey dem Grundtbuech originaliter, Nider gelegt, betreffent, den Khauff, deß Hauß, Vnd der Wehrungen, bleibt, allß wie eß, Andreas Roth, Zu bezahlen schuldig geweßen ist, Außer, Vier Thaller Märisch, welche der Khauffer, den Verkhauffer, doch ohne entgeldt, der Khauff Summa; auff zwey termin, alß den ersten auff nechst Komenten, Georgi Anno 1658; den andern, alß zwen taller, auff Johanis, gemelten Jahrs, Zuerlegen Versprochen. Actum Anno et Die Vt Supra.“

In Hinblick auf Sebastian Seethalers Herkunft geht aus dem Vertragstext zum einen hervor, daß er aus Ingolstadt in Bayern stammte, und zum anderen, daß er vor seiner Übersiedelung nach Mähren offenbar in Speisendorf in Niederösterreich gelebt und möglicherweise auch dort geheiratet hat. Im Jahre 1673 übernimmt Franz Huber das Gut des Sebastian Seethaler in Bonitz.

Grundbuch Bonitz, SOkA Znojmo, Archiv obce Bohunice, kniha 1, fol. 176v:

„Anno 1673 den 7 Marti bei gehaltenen Panrecht ist Sebastian Sedaller erschinen Vnd weillen der augenschein gilt daß gemelter Sedaller Alters Halben den Hauß nit Vorstehen kan alß ist mit bewilligung der Obrigkheit den Frantz Hueber gemeltes Hauß Vberlaßen worden Worzu Jhme sedaller Vber wintter angebauth Weitz Vnd Kornn Eilf Metzen Vnd Vber Sommer 3. Metzen Haber ein pferd Zwey S: V: Spensau pflug Vnd Eißen Zum Hauß gelaßen Entgegen Tridt der Hueber in die Kauffwahrung ein alß Virhin er sedaller gemeltes Hauß Von Andreas Rath erhaufft hatt. Die Obrigkheit hat Jhme Hueber auch biß Zum heürigen Schnitt freyung gelaßen.“

Abgesehen von seinem Sohn Johann, von dem alle weiteren Namensträger abstammen, ist in den Matriken der Pfarre Proßmeritz (Prosiměřice) nur ein weiterer Sohn Jakob greifbar, der 1672 achtzehnjährig in Bonitz stirbt. Die Kinder des Johann Seethaler (+ 1710 in Pratsch) werden zunächst in Bonitz, dann ab 1679 in Pratsch geboren. Zum Grundkauf in Pratsch existieren keine Quellen, da – abgesehen von dem oben erwähnten alten Bonitzer Grundbuch – für die gesamte Grundherrschaft keine Grundbücher aus der Zeit vor der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erhalten sind. Von den vierzehn Kindern, die Johann Seethaler geboren wurden, haben neun geheiratet, davon sieben Söhne. Noch vor 1800 verbreitet sich der Name Seethaler von Pratsch ausgehend in mehreren Dörfern der Herrschaft und später in der gesamten Region.

Map Viewer für actapublica

Analog zu den in letzter Zeit auf der neuen Onlineplattform des Mährischen Landesarchivs (http://www.mza.cz/a8web/) eingestellten Beständen (Lahnregister, Urbare) gibt es dort nun auch eine mit actapublica verlinkte Landkarte, auf der man eine Übersicht über die matrikenführenden Pfarren und Lokalien hat:

http://www.mza.cz/a8web/a8apps1/m1map1/m1-s1-all2.htm

Sehr praktisch ist dies vor allem dann, wenn man sich in Gegenden, die man nicht so gut kennt, auf der Suche nach Matrikeneinträgen in der unmittelbaren Umgebung von Ort zu Ort hangeln möchte!

Der verschwundene Taufeintrag des K. M. Hofbauer

Der Hl. Klemens Maria Hofbauer, seit 1914 Stadtpatron von Wien, wurde 1751 in Taßwitz (Tasovice) bei Znaim geboren. Im dortigen Taufbuch (MZA Brno, E 67, inv. č. 14679) fehlt heute jenes Blatt mit seinem Taufeintrag. Das im Jänner 1943 erstellte Namensregister zu dieser Matrik (MZA Brno, E 67, inv. č. 14700) beinhaltet die Namen der Täuflinge auf diesem Blatt –
so hier des Hl. Klemens (eingetragen mit seinem Taufnamen Johann) –

hofbauer

d.h. es wurde zwischen 1943 und vermutlich dem Zeitpunkt der staatlichen Archivierung (ab 1950) herausgetrennt. Eine „Rettung“ bzw. ein „Diebstahl“ im Kontext des Kriegsendes scheint hier naheliegend. Wie auch immer – heute scheint das Blatt für die Forschung verloren, was vielleicht weniger in Hinblick auf die ohnehin bekannten Lebensdaten des Hl. Klemens von Bedeutung ist als vielmehr hinsichtlich der damit unzugänglichen Informationen zu den anderen Kindern, deren Taufen auf demselben Blatt verzeichnet wurden, und die nicht in die Geschichte eingegangen sind …
Aber vielleicht existiert das Blatt ja doch noch irgendwo in einer Schublade und kommt eines Tages wieder zum Vorschein. Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben!